Die Transformation zu einer CDXE-Kultur

Autoren: Thorsten Dirks & Jürgen Rösger


 

Warum schreiben wir über Transformation und Kultur im Zusammenhang mit „Customer und Digital Experience Excellence” (CDXE)?

Weil Unternehmen eine auf Customer und Digital Experience Excellence (CDXE) fokussierte Kultur brauchen, um erfolgreich zu sein!

Denn Hand aufs Herz. „Kundenorientierung, Kundenfokus, Kundenzentrierung, der Kunde im Mittelpunkt“ Schlagworte, die wir in jedem Unternehmen in bunten Flyern zum Thema Unternehmensphilosophie, Selbstverständnis und Wertesystem finden.

Doch die Realität sieht leider dramatisch anders aus. Unternehmen blicken zuallererst nach innen, sind fokussiert auf ihre Kompetenzen und ihre daraus entstehenden Möglichkeiten, sprechen stolz über ihre Produkte, denken aus einer Machbarkeitsperspektive über deren kontinuierliche technische und funktionale Weiterentwicklung nach, aber nicht über die wahren Bedürfnisse und Wünsche ihrer Kunden. Das gibt anderen Anbietern, die die Welt durch die Augen ihrer Kunden betrachten und eine exzellente CDXE anbieten, ausreichend Spielraum in angestammte Terrains einzudringen. Das ist in den letzten Jahrzehnten häufig genug geschehen und gelungen. Die Möglichkeiten der Digitalisierung und die immer niedrigeren Einstiegsbarrieren von Märkten beschleunigen diesen Prozess dramatisch. 

CDXE ist also nicht nur eine strategische Mission, sondern vor allem auch eine Geisteshaltung, eine inhaltliche Mission, ein Werteverständnis, das u.a. einen Austausch mit den Kunden auf Augenhöhe als Grundvoraussetzung für den Erfolg versteht. Kurzum: Eine Kultur in der Mitarbeiter nach innen leben, was das Unternehmen nach außen verspricht und der Kunde unmittelbar spüren sollte.

„Culture eats Strategy for Breakfast“ (Peter Drucker) 

Kaum ein Zitat wird in Transformations- und Veränderungsprojekten häufiger genutzt, soll es doch die herausragende Bedeutung der Unternehmenskultur für den Unternehmenserfolg verdeutlichen. 

Doch wie lässt sich diese Kultur entwickeln und wie sieht die notwendige Transformation des Unternehmens zu eben dieser Kultur aus? Und warum scheitern die meisten dieser Transformations- und Veränderungsprojekte? 

Weil die Bedeutung der Unternehmenskultur für die Umsetzung der Strategie in den allermeisten Unternehmen von den Führungskräften nicht gesehen wird. Sie wird schlichtweg ignoriert. Kultur ist nicht direkt messbar, passt in keines der Daily-Business Excel und ist deshalb für die meisten (männlichen) Führungskräfte nicht „greifbar“. Woran liegt das? In vielen Unternehmen ist die Unternehmenskultur primär gekoppelt mit einem Leistungsversprechen, Engineering-Power oder Produkt-Exzellenz und weniger mit Haltung, Freiheit, Vertrauen und Mut zu neuem.

Eine Strategieentwicklung und deren schlussendlicher Strategieentwurf kann noch so aufwendig und überzeugend sein; die Umsetzung wird nicht erfolgreich sein, wenn Führungskräfte und Mitarbeiter nicht eine gemeinsame Kultur entwickeln, etablieren und leben, um eben die Strategie auch kulturell erlebbar zu gestalten. Denn Kultur entsteht ausschließlich aus glaubhaftem Handeln von Führungskräften! Nicht aus ihren Worten, sondern nur aus Taten. Und dabei ist Authentizität oberstes Gebot. 

Deshalb entsteht ein nachhaltiger Kulturwandel und die dazu gehörige Transformation top-down und beginnt „ganz oben“. Ist der CEO nicht leidenschaftlicher Treiber und Kristallisationspunkt der Transformation, wird diese nicht gelingen.

 

Wie lebt eine Führungskraft Authentizität?  

Offenheit und Transparenz sind unabdingbare Hygienefaktoren. Darüber hinaus hilft handlungsorientiertes Vorleben überzeugend bei der Mission der Veränderungswilligkeit. Es sind oft die kleinen Signale auf die die Mitarbeiter und der Markt achten. Eine unternehmensweite Umwelt-Nachhaltigkeitsoffensive ist wenig glaubwürdig, wenn die oberste Führungsmannschaft mit CO2 Schleudern durch die Gegend fährt. Walk the talk ist die Devise, die mit äußerster Disziplin vorgelebt werden sollte. Dies erfolgreich umgesetzt ist auch gleichzeitig die Legitimation für die Aufforderung zur Transfomationsgestaltung und -umsetzung der Führungskräfte und der Transformationsbeteiligung aller.

 

Was zeichnet eine Führungskraft die erfolgreich einen Kulturwandel gestalten kann aus?

Auf einen Nenner gebracht:

  1. Eine gesunde Balance zwischen Aggressivität und Integrationskompetenz

  2. Herausragende analytische Fähigkeiten die neben Brainpower auch Raum für Phantasie und Freiheit im Denken lässt

  3. Mentale und körperliche Robustheit sowie die Eigenschaft beides zu pflegen

  4. Kontinuierliche Selbstreflexion, gepaart mit der Fähigkeit getroffene Entscheidungen zu überdenken und zu korrigieren, sowie sich selbst und anderen Fehler eingestehen.

  5. Komplementäre Teams formen, NICHT zu viele der gleichen Archetypen oder Mini-Me‘s

  6. Lust auf „Zukunft und Innovation“, nach vorne schauen und aus der Vergangenheit lernen. Auch wenn es manchmal unbequem ist und die Komfortzonen eingespielter Abläufe durcheinanderbringt.

Führungskräfte, die diese Führungsprinzipien beherzigen, sind Führungsspieler, Primi inter Pares die qua ihrer Leadershipqualitäten respektiert werden aber auch das notwendige Grundvertrauen in die Notwendigkeit der Veränderung schaffen und die dafür relevanten Menschen zu schlagkräftigen Teams formen.

 

The right people at the right place working in the same direction

Und das heisst in diesem Kontext: Die Kunden verstehen, sie mit den richtigen, für sie relevanten Produkten glücklich machen, für sie da zu sein auch wenn es mitunter schwer fällt, so einen hervorragenden Ruf aufbauen und in Summe Unternehmensergebnis und -wert deutlich steigern.

Erwartungen von Kunden analysieren und antizipieren

Die permanente Analyse von Konsumentenverhalten ist das tägliche Brot der unternehmensinternen Marketing- und Marktforschungsabteilungen. Die Methoden stammen zum größten Teil aber noch aus einer Zeit, in der Bedürfnisse durch Marken projiziert wurden. Die „Haben-wollen“ Aspiration für die Konsumenten war das Resultat ausgeklügelter Marken-/Produkt-Kommunikations-Choreographien die sowohl Zeitgeist-Anspruch, soziale Differenzierung wie auch Milieu-Zugehörigkeits-Bedürfnisse bedienten.

Im Zeitalter der Massen-Individualisierungs-Bewegung, die durch die Verfügbarkeit digitaler Medien und immer mehr Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten zur Selbstverständlichkeit geworden ist, hat sich gleichzeitig die Beziehung zwischen Anbietern und Konsumenten dramatisch verändert. Aufgrund der inzwischen gegebenen Transparenz hinsichtlich Qualität, Leistungsvermögen und Kundenerfahrungen von Produkten und Dienstleistungen sowie der Möglichkeit in Echtzeit Preisvergleiche durchzuführen wird die Experience mit einem Produkt zu einem immer essentielleren Faktor. Auch hinsichtlich des Abstrahleffektes auf die Marke (Biedenbach & Marell) der inzwischen hinsichtlich Qualitätsversprechen größer ist als der der klassischen Kommunikation.

 
Customer Experience Impact auf Markendimensionen

Der Impact von CDXE auf die vier Dimensionen einer Marke (Quelle: Biedenbach & Marell)

 

Der Gang durch die Customer Journey ist deutlich komplexer geworden. Waren es früher sehr einfache Trigger wie die Auflösungsstärke einer Kamera oder eines Bildschirms oder die Prozessorgeschwindigkeit eines Notebooks oder Smartphones, suchen Verbraucher zunehmend häufiger und intensiver vertiefende Informationen zu Produkten, Services, Funktionalitäten, Preisangeboten sowie Vergleichsprodukten. Dafür ziehen Konsumenten heute deutlich mehr Informationsquellen für ihre Kaufentscheidung heran als noch vor einigen Jahren. Social-Media-Kanäle, Foren und Blogs, Influencer-Kommunikation sowie neue Mediengattungen mit einer sehr starken Use-Case-Ausrichtung (z.B. curved.de, turnon.de) haben sich zwischen die Funktion der klassischen Markenbildung und den Kaufprozess geschoben und beeinflussen mehr denn je in diesem sogenannten Mid-Funnel (Think with Google) welches Produkt erworben wird. Bis zu 300 Interaktionen im Mid-Funnel für die Informationsbeschaffung, die besten Angebote und Möglichkeiten für eine Flugbuchung nach San Francisco hat z.B. Google Research analysieren können.

 
Google Studie: Midfunnel

Mid-Funnel-Attributions-Modell von Google (Quelle: Think with Google)

 

Zukünftig wird es allerdings noch wichtiger so früh wie möglich zu verstehen wie Produkte und Services relevante Kunden Use-Cases bedienen können. Dazu ist es erst einmal notwendig die Relevanzen aus Konsumentensicht zu analysieren und zu verstehen. Entsprechende, KI/NLP basierte Analysewerkzeuge stehen hierfür zur Verfügung und bilden mit ihren Ergebnissen den Startpunkt für Use-case basierte Kommunikations-und Inhaltestrategien. Relevanz trifft Kontext im Sinne von passendem Produkt oder Service. Dieser Ansatz verändert die Vorgehensweise von Marketing-, Kommunikations-, Vertriebs- und Servicefunktionen komplett, weil zukünftig integral und nicht mehr wie bisher sequentiell linear als isolierte Einzelfunktionen.

Die kontinuierliche Adaption und Integration ist nicht als linearer Prozess zu verstehen, sondern als Infinitum und damit als fester Bestandteil der Unternehmenskultur wie das z.B. USAA etabliert hat (CDXE Initiative, img / Universität Mannheim)

Darüber hinaus sehen sich Konsumenten heute als Teil der Produkt- und Serviceentwicklung. Das Erleben von Produkten und Diensten beginnt nicht erst mit dem Kauf, sondern bereits mit der Idee. Auch die Customer Journey ist ein Infinitum und muss unter ständiger Beobachtung stehen. Entscheidend dabei ist der Feedbackloop zwischen Konsumenten und den Unternehmen um so eine kundenzentrierte Innovation sicher zu stellen.  

Wie können Unternehmen diesen Loop gestalten, um eine effiziente und effektive Kommunikation mit den Kunden aufzubauen und welche kulturelle Grundlage liegt dem zugrunde? Und wie ist der Weg dahin?

Sie kennen die Antwort! 

Doch wie gelingt eine erfolgreiche Transformation?

 

Unternehmen müssen umschalten von der sequentiellen Planung/Denken auf das exponentielle Planen/Denken.

Next level of attitude

In den allermeisten Unternehmen wird ein sequentieller Planungs- und Denkprozess verfolgt. Bedeutet: „Was können wir morgen/nächsten Monat/nächstes Quartal besser machen als heute?“. Dazu wird der Status Quo über unterschiedliche qualitative und quantitative Ansätze analysiert und auf Basis der Ergebnisse kleine Verbesserungen an Produkten und/oder Prozessen umgesetzt. Dem fehlt aber der „Disruptionsansatz"

Was es braucht in einer Zeit der ständigen Veränderung, die schon seit einiger Zeit als einzige Konstante anzusehen ist, ist ein exponentieller Ansatz im Planungs- und Denkprozess. Der Disruptionsansatz!

 

"Wo Deine Talente und die Bedürfnisse der Welt sich kreuzen, dort liegt Deine Berufung.“ Aristoteles

Dabei ist der erste Schritt sich vorzustellen, welche Kundenbedürfnisse - im Sinne einer Customer und Digital Experience Excellence - (Need base) es in fünf Jahren zu befriedigen gilt und welche Rolle das Unternehmen dabei spielt, welche Teile der Wertschöpfung auf dem Weg zur Erfüllung dieser Kundenbedürfnisse es übernimmt und welche Ressourcen (talent and resource base) dafür nötig sind. Es ist dabei konsequent die Frage nach dem „Warum“ zu beantworten (Purpose base).

 

"Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten." Willy Brand

Dieses Bild der „Welt in fünf Jahren“ gilt es möglichst präzise zu beschreiben, jedoch wissend, dass es auf Annahmen beruht, die sich auf dem Weg in diese Zukunft ändern werden. Nur durch dieses klare Verständnis eines Zukunftsbildes ist Gestaltung möglich und es entstehen neue Geschäftsmodelle/Ecosysteme und neue Produkte. Diese wiederum werden existierende Modelle/Produkte disruptieren. Um sich dieser Herausforderung zu stellen, muss das Unternehmen exponentiell denken und planen.

Dem Zukunftsentwurf (North Star) schließt sich die Analyse des Status Quo an. Aus dieser Ortsbestimmung, die die eindeutige Positionierung des Unternehmens im Heute widerspiegelt, und dem Zukunftsentwurf wird der Transformationsplan entwickelt. Das Zukunftsbild als auch der Transformationsplan sind transparent an alle Stakeholder (Mitarbeiter, Kunden, Investoren, Partner) zu kommunizieren, ebenso alle Änderungen auf dem Weg.


Was muss ich heute tun, um in 5 Jahren in unserem Zukunftsentwurf angekommen zu sein?

Um auf dem Weg nach vorne das Zukunftsbild nicht aus den Augen zu verlieren braucht es eine leidenschaftliche und mutige Umsetzung (relentless execution, simple plan and relentless execution) auf der einen Seite, auf der anderen muss -nahezu in Echtzeit- die Position des Unternehmens ständig bestimmt werden und die Umsetzung sowie der Führungsansatz adaptiert werden (Sensor base); dafür braucht es einen data driven Ansatz (data empathy base).

 
Die richtige Balance waehrend einer Transformation

Die Balance zwischen Aggressivität und Integrationskompetenz

 

In a volatile and uncertain world: Expect the Unexpected

So entsteht ein flexible response Unternehmen (agile Organisation i agilen Arbeitswelten), welches seinen Stakeholdern stets eine exakte Positionsbestimmung ermöglicht und über eine OKR Logik auch den Zielerreichungsgrad transparent macht (motivation base).

Und genau so ein flexibles response orientieertes Unternehmen braucht es, um auf Kundenbedürfnisse, die sich ständig ändern, Antworten zu finden im Sinne der CDXE.

(1): Source: Biedenbach & Marell, Journal of Brand Management

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Eine Einladung zum Tanz – Die optimale Customer Experience im Kundenservice

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