Ursprünge des C/DXE Konzeptes

Autor: Dr. Katharina Gawrisch


 
 
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In den letzten zehn Jahren hat der Begriff Customer Experience in der Marketingtheorie und -praxis große Aufmerksamkeit erfahren. Doch das Customer Experience-Konzept ist gar nicht so neu: Bereits in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts sprach der Ökonom Lawrence Abbott über die Wichtigkeit der Kundenerfahrung (Abbott 1955; Becker und Jaakkola 2020). Sowohl Forscher als auch Praktiker sind sich einig, dass heutzutage - im digitalen Zeitalter der Informations- und Dienstleistungswirtschaft - das erfolgreiche Management der (digitalen) Customer Experience ein vorrangiges Unternehmensziel und zugleich eine große Herausforderung darstellt. Doch um das C/DXE-Konzept exakt zu verstehen, sollte man sich zunächst mit dessen Geschichte auseinandersetzen.

 
 

Die Entwicklung des Customer Experience-Konzeptes im Laufe der Zeit

In den letzten 70 Jahren gab es im Marketing mehrere Paradigmenwechsel: Von der Produktionsorientierung (1950er-1960er Jahre), über die Vertriebsorientierung in den 70ern, bis hin zur Markt- und Kundenorientierung (Achrol und Kotler 2012; Vargo und Lusch 2004). In der Zwischenzeit hat sich auch das Customer Experience-Konzept zusammen mit anderen Kernkonzepten wie Kundenzufriedenheit, Servicequalität, Beziehungsmarketing und CRM kontinuierlich weiterentwickelt (Lemon und Verhoef 2016).

Ein wichtiger Baustein für unser Verständnis der Customer Experience ist die Kundenzufriedenheit. Die Konzeptualisierung von Kundenzufriedenheit begann in den 70ern mit der Erkenntnis, dass die Messung von Kundenreaktionen auf die Angebote von Firmen einen wesentlichen Eckpfeiler der marktorientierten Unternehmensführung darstellt. Die Kundenzufriedenheit wurde demnach als Differenz von Kundenerwartung und der tatsächlich erbrachten Leistung definiert. Sowohl Forscher als auch Praktiker sind sich darin einig, dass die Kundenzufriedenheit erhebliche Auswirkungen auf das Verbraucherverhalten und den Unternehmenserfolg hat. Aus diesem Grund ist die Kundenzufriedenheitsmessung immer noch eine Standardpraxis im Marketing (Lemon und Verhoef 2016; v. Wangenheim und Bayón 2007).

In den 1980er Jahren begannen Unternehmen zu erkennen, dass sich die Vermarktung von Dienstleistungen von der Vermarktung physischer Güter unterscheidet. Infolgedessen hat sich das Service Marketing – mit den Kernkonzepten Servicequalität und Customer Journey Mapping – zu einer eigenständigen Disziplin entwickelt (Lemon und Verhoef 2016). Ein Durchbruch bei den Messansätzen für Servicequalität war das sogenannte SERVQUAL-Modell, das Mitte der 80er Jahre von Parasuraman und Kollegen eingeführt wurde. SERVQUAL ist ein Instrument zur Messung der Qualität von Dienstleistungen, bei dem die Erwartungen und Erfahrungen der Konsumenten entlang der folgenden fünf Dimensionen erfasst werden: 1) Reliability (korrekte Ausführung der Dienstleistung); 2) Assurance (Höflichkeit und Kompetenz der Mitarbeiter); 3) Tangibles (Erscheinungsbild der physischen Einrichtungen, der Ausrüstung und des Personals); 4) Empathy (Einfühlungsvermögen der Mitarbeiter); und 5) Responsiveness (Bereitschaft, den Kunden schnell und aktiv zu helfen; Parasuraman et al. 1988). Dieses Modell hat noch heute einen großen Einfluss auf die Marketingpraxis (Roberts et al. 2014).

 
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In den 90ern wurde dann zunehmend auf die Entwicklung starker Kundenbeziehungen geachtet. Zu den wichtigsten Konstrukten oder Themen im Relationship Marketing gehörten unter anderem Vertrauen, Beziehungsqualität und die emotionalen Aspekte von Kundenbeziehungen (Morgan und Hunt 1994). Während der Schwerpunkt im Relationship Marketing hauptsächlich auf dem Aufbau langfristiger Beziehungen lag, konzentrierte sich das in den 2000er Jahren entstandene Customer Relationship Management (CRM) mehr auf die Optimierung der Kundenprofitabilität und des Kundenwertes. Dementsprechend verlagerte sich der Fokus auf die profitable Kundengewinnung und -bindung sowie auf den CLV (Blattberg et al. 2008; Lemon und Verhoef 2016;).

In einer parallelen Entwicklung etablierte sich Customer Centricity als wertvoller Marketingansatz, der darauf abzielt, die Bedürfnisse und Wünsche der einzelnen Kunden zu verstehen und maßgeschneiderte Angebote zu liefern. Insbesondere die Verfügbarkeit von individuellen Kundendaten hat den Paradigmenwechsel zum kundenzentrierten Marketing erheblich erleichtert. In den letzten zehn Jahren haben Forscher und Praktiker zudem begonnen, die Rolle des Customer Engagements immer stärker zu betonen. Dank der digitalen und sozialen Medienrevolution sind Kunden zunehmend an der Wertschöpfung beteiligt, wobei das Kundenengagement mit Verhaltensweisen verbunden ist, die über den Kauf hinausgehen, z. B. Mund-zu-Mund-Propaganda und Weiterempfehlungen (Lemon und Verhoef 2016).

 
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Die zuvor beschriebenen Entwicklungen in der Forschung und Praxis tragen zu unserem Verständnis des C/DXE-Konzeptes bei. Beispielsweise kann die Kundenzufriedenheit als Komponente der Customer Experience betrachtet werden, da sich die Zufriedenheit auf die kognitive Bewertung einer Erfahrung bezieht. Die Servicequalität könnte eine der wichtigsten Voraussetzungen für Customer Experience sein, während Relationship Marketing-Konstrukte, wie Vertrauen und Commitment, typischerweise eine Folge von Customer Experience sind. Customer Experience hängt auch mit Customer Engagement zusammen, da letzteres als eine Experience-Komponente betrachtet werden kann, die durch spezifische Berührungspunkte (z.B. Social Communities) entsteht.

Folglich ist die Customer Experience ein komplexes, mehrdimensionales Konstrukt, das die kognitiven, emotionalen, verhaltensbezogenen, sensorischen und sozialen Kundenreaktionen auf die Angebote eines Unternehmens während der gesamten Purchase Journey umfasst (Lemon und Verhoef 2016). Dabei lässt sich das Customer Experience Management (CEM) als Prozess des strategischen Managements der gesamten Erfahrung eines Kunden mit einem Produkt oder Unternehmen definieren (Schmitt 2003).

 

Literatur

Abbott, L. (1955). Quality and competition. New York: Columbia Univ. Press.

Achrol, R. S., & Kotler, P. (2012), “Frontiers of the marketing paradigm in the third millennium,” Journal of the Academy of Marketing Science, 40, 35-52.

Lemon, K. N., & Verhoef, P. C. (2016), “Understanding customer experience throughout the customer journey,” Journal of Marketing, 80, 69-96.

Vargo, S. L., & Lusch, R. F. (2004), “Evolving to a new dominant logic for marketing,” Journal of Marketing, 68, 1-17.

v. Wangenheim, F., & Bayón, T. (2007), “The chain from customer satisfaction via word-of-mouth referrals to new customer acquisition,” Journal of the Academy of Marketing Science, 35, 233-249.

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